Fünfeinhalb Worte zu Barf bei Epilepsie

Hilfe, mein Hund hat Epilepsie! Darf ich ihn nun überhaupt (noch) barfen?

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Epilepsie beschreibt eine Gruppe von Funktionsstörungen im Gehirn. Sie zeichnet sich durch eine krankhafte sogenannte Erregungsbildung aus, der zudem auch noch die natürliche Erregungsbegrenzung innerhalb der Nervenzellverbände des zentralen Nervensystems fehlt. Anders ausgedrückt, es gibt ein äußerst sensibles Gaspedal und eine defekte Bremse.
Dieses Gebilde wird dann noch durch ein an einer büröklammerdünnen Springfeder befestigtes Lenkrad ergänzt.
Et voilá, fertig ist das Steuersystem Epilepsie.

Dieser Artikel bietet einen Überblick über die wichtigsten Punkte, die in der Ernährung eines Hundes mit Epilepsie Beachtung finden sollten. Epilepsie ist wohl eine der vielgesichtigsten Erkrankungen, die es überhaupt gibt. Sie ist
nur selten heilbar, doch neben der medizinischen Behandlung gibt es noch weitere Wege, es ihr zumindest ein wenig
schwerer zu machen.

Getreide

Immer wieder liest man davon, daß Hunde mit Epilepsie möglichst kein Getreide gefüttert bekommen sollten. Doch warum ist das so und stimmt das überhaupt?

Getreide enthält das Klebereiweiß Gluten.
Zwar gilt eine Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) beim Hund als sehr selten, dennoch wird dieses spezielle Protein oft im Zusammenhang mit Epilepsie genannt. Der Hauptgrund ist vermutlich, daß es Eigenschaften besitzt, die entzündliche Geschehen im Körper begünstigen können. Diese wiederum vermögen Anfälle zu provozieren. Doch Gluten allein ist nicht der Grund, warum man Getreide in der Ernährung seines Hundes streichen sollte. Wie schon erwähnt, ist eine Zöliakie beim Hund eher selten. Also gucken wir mal etwas genauer hin.
Doch bevor ich euch nun mit zu viel Wissenschaft vergraule, dies wird nur ein klitzekleiner
und kurzer Ausflug in die Wissenschaft zwecks besseren Verständnisses, versprochen.

Getreide enthält zusätzlich bestimmte Aminosäuren, welche als Neurotransmitter fungieren. Hierzu zählen beispielsweise Glycin, Asparaginsäure und das Glutamat Glucaminsäure.
Im Falle von Epilepsie wurden jedoch Störungen dieses Transmitterhaushaltes nachgewiesen. Die Glucaminsäure besitzt einen natürlichen Gegenspieler namens GABA (Gamma-Amino-Buttersäure). Bei einem Epileptiker befinden sich diese beiden im Ungleichgewicht zueiander, zugunsten des Glutamats. Nun ist Glutamat aber keineswegs allgemein als Feind anzusehen, denn neben seinen neurotoxischen Eigenschaften, besitzt es auch immens wichtige und nützliche. Es ist fester Bestandteil der Hirnchemie. Problematisch ist hier lediglich wegen des verschobenen Gleichgewichts, dem Zuviel davon und dem Zuwenig des Gegners.
Anders ausgedrückt, unser Schiff erhält mit dem Steuerelement Epilepsie eine starke Seitenlage. Dadurch kann immer wieder Wasser hineinschwappen und für reichlich Unannehmlichkeiten sorgen, inkl. Kurzschlüssen.

Da ich euch versprochen habe, mich nicht zu sehr in fachspezifischen Details zu verlieren, kommen wir nun zum Glycin. Diese Aminosäure ist besonders im Rückenmark für die Koordinatierung der Motorik tätig. Sein bester Freund und wichtigster Gehilfe ist dabei Glutamat. Ebenfalls erwähnenswert, die Asparaginsäure. Sie wirkt als Botenstoff des Gehirns nicht ganz so stark wir ihr Kollege Glucaminsäure, dennoch spielt sie eine durchaus erwähnenswerte Rolle. Immerhin ist sie ebenso häufig im Kontrollzentrum des Körpers anzutreffen.

Doch was hat das alles nun mit Getreide zu tun?
Eben jene erwähnten Aminosäuren befinden sich sehr zahlreich in Getreide und beeinflussen nachgewiesenermaßen die Hirnchemie. Dies ansich ist natürlich nicht unbedingt dramatisch, zumindest nicht für einen gesunden Hund. Ein gesunder Hund kann gelegentliche Überschwemmungen dieses Trios gut wegstecken. Ein Hund mit Epilepsie ist jedoch gerade in diesem Punkt besonders sensibel. Wir erinnern uns, das Schiff hat hier ja bereits Seitenlage. Daher wird bei Epilepsie zur Meidung von Getreideprodukten geraten.

Zu Getreide zählen neben den bekannten Sorten wie Weizen, Roggen, Dinkel usw., übrigens auch die sogenannten Pseudogetreide wie Quinoa, Amaranth etc.. Auch Reis, Mais und Soja gelten als Getreide. Letztere und einige Pseudogetreide enthalten aber immerhin kein Gluten.

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Ätherische Öle

Viele Kräuter, aber auch Gemüsesorten enthalten stärkere ätherische Öle. Normalerweise werden diese gezielt eingesetzt, um sich ihre gesundheitsfördernen Eigenschaften zu Nutze zu machen. Leider sorgen eben jene Eigenschaften auch dafür, daß sie für Hunde mit Epilepsie als Trigger fungieren können, ergo einen Anfall zu provozieren vermögen. Dies bedeutet nicht, daß jeder Epileptiker auf jedes dieser speziellen Öle reagiert. Lediglich die Wahrscheinlichkeit ist dafür recht hoch.

Auf welche und wieviele dieser Öle ein Hund reagiert, ist individuell. Es läßt sich daher nicht vorraussagen, ob und wie stark ein Hund darauf reagiert. Deswegen ist es ratsam, solche Öle zu meiden und wenn dies mal nicht möglich erscheint, sich vorsichtig heranzutasten mit Kleinstmengen und Beobachtung. Zu den betroffenen Lebensmitteln zählen beispielsweise Fenchel, Sellerie, Thymian, Oregano und Borretschöl.

(Auch mit Produkten, die man nicht essen sollte, ist es besser, besonders achtsam umzugehen, wenn man einen Epileptiker im Hause hat. Dazu zählen u.a. Putzmittel, Parasitenabwehrprodukte und Medikamente.)

Knochen

Die Knochenfütterung gehört zum Barfen wie Wasser in einen Teich.
Hat man nun aber einen an Epilepsie erkrankten Hund im Hause, kommen einem spätestens dann Zweifel an der Fütterung von sogenannten RFK, wenn der Hund kurz nach einer Mahlzeit einen Anfall erleidet. Das Risiko für Fehlverdauung oder gar eine Magenumdrehung ist hier leider nicht außer Acht zu lassen. Glücklicherweise bedeutet ein Anfall nach einer Mahlzeit aber nicht zwangsläufig eine ins Haus stehende Katastrophe. Denn ob es Probleme dadurch gibt, hängt stark von der Anfallsausprägung, dem Individuum, der Umgebungssituation und natürlich auch Glück ab. Wie passt man sich dem nun also am besten an?

Es gibt glücklicherweise mehrere Optionen.
Zum einen empfiehlt es sich, auf die weicheren Anfängerknochen wie Geflügelhälse und Jungtierrippen umzusteigen. Sie lassen sich vom Hund leichter zerteilen, wodurch seltener gröbere Stücke abgeschluckt werden. Zum anderen kann man, wenn man doch zu arge Bedenken hat, auch auf gewolfte Knochen umsteigen. Diese sind flotter verdaut, nur der Zahnreinigungseffekt geht so leider verloren. Doch dieser ist ja nicht der Grund, warum wir beim Barfen Knochen füttern, viel wichtiger ist eine gesicherte und ausreichende Calciumzufuhr.
Eine weitere Option wäre, anstelle der Rfk Knochenmehl einzusetzen. Entscheidet man sich für diese Möglichkeit, empfiehlt es sich, zunächst die unterschiedlichen Produkte miteinander zu vergleichen. Das Calcium-Phosphor-Verhältnis spielt hier ebenso eine Rolle wie evtl. Zusatzstoffe, die nicht benötigt werden. Bedenkt bitte, Knochenmehl ist (fast) pure, getrocknete Knochensubstanz, man kann nicht einfach die bisherige Rfk-Menge durch jeweils halb und halb Knochenmehl und Rohfleisch ersetzen. Stellt es euch vor wie ein Mineralstoffkonzentrat. Stellt euch vor, ich würdet eine gesalzene Hühnerbrühe konzentrieren wollen, indem ihr sie reduzieren lasst. Ein großer Wasseranteil der Suppe verdampft also. Schmeckt die Brühe nun fader oder salziger? Eine Überdosierung gewisser Mineralstoffe wie zum Beispiel Calcium kann ebenso gesundheitliche Probleme verursachen wie ein Mangel. Also rechnet die Dosierung lieber anhand bekannter Daten aus, fragt beim Hersteller nach oder bittet einen Tierernährungsexperten um Hilfe. Dazu braucht ihr nur den Tagesbedarf an Calcium von eurem Hund und den Calciumgehalts eures Knochenmehls.
Sowohl Knochenmehl, als auch Knochenfleischmehl kommen in Frage. Ersteres läßt sich sparsamer dosieren, da es mehr Calcium enthält.

(Knochenmehl = getrocknete, gemahlene Knochen mit evtl. Fleischresten; Knochenfleischmehl = Fleischreste mit hohem Knochenanteil, getrocknet und gemahlen)

Neigt euer Hund zu heftigen Bewegungsabläufen, wie Rennen, extremes Verdrehen des gesamten Körpers oder über den Boden rollen, wäre es klüger von herkömmlicher Rfk-Fütterung Abstand nehmen und auf gewolfte Knochen oder sogar Knochenmehl umzusteigen. Zwar hält die starke Muskelanspannung auch vieles an Ort und Stelle, doch durch die heftigen Bewegungsabläufe kann der selbe Effekt entstehen, als wenn ein Hund mit vollem Magen über eine Mauer springt. Da es nach einem Anfall immer das Risiko eines Nachbebens, eines weiteren Anfalls, gibt, macht es Sinn, wenn ihr nach einem ‚großen Anfall‘ für 24h auf Knochenfütterung verzichtet. Der Grund dafür ist, der Körper vollbringt in den wenigen Minuten eines Anfalls Höchstleistung wie ein Marathonläufer. Möglicherweise kennt ihr es bereits, daß euer Vierbeiner nach einem Anfall auch mal Durchfall hatte oder gar eine Magenverstimmung. Dies kommt durch die abrupte extreme Belastung des Körpers zustande. Alles schaltet plötzlich auf Vollgas, ohne Rücksicht auf Verluste. Diese Reaktion ist aber wichtig, denn so ist die Muskulatur in Kürze warm genug, um Schäden zu vermeiden. Auch das Entleeren vom Darm hat durchaus einen Sinn. Bei manchen Tieren entleeren sich zum Bedauern unsere Nase allerdings auch diverse Drüsen, sowie die Blase. Dies läßt sich leider ernährungstechnisch nicht beeinflussen.

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Portionen

Da man nie weiß, wann genau ein Anfall auftritt, kann es sinnvoll sein, die Gesamttagesration eines Hundes weiter aufzusplitten. Üblicherweise werden die meisten Hunde zweimal täglich gefüttert, einige nur einmal täglich und ein paar sogar drei- bis viermal. Um das Risiko eines sehr vollen Magens während eines Anfalls zu minimieren, empfiehlt es sich mindestens zweimal täglich zu füttern, besser sogar dreimal. Dadurch werden die einzelnen Portionen kleiner.
Auch nach dem Anfall, nach dem bei manchen Tieren auftretenden Heißhunger, kann dies nützlich sein. Der Magen muß so nur kleine Mengen bewältigen, die dringend wieder aufzufüllenden Nährstoffe werden schrittweise zugeführt und haben eine höhere Chance nicht doch noch dem Vollgaseffekt der Verdauungsbewegungen zum Opfer zu fallen. Das wiederum gibt dem körpereigenen System eures Hunde die Möglichkeit, sich gleich zu Beginn auf die bruchgefährdeten Stellen zu konzentrieren und fördert die Regeneration.

Ob man dem Heißhunger nach einem Anfall nachgibt oder lieber einige Stunden wartet und auf kleinere Portionen setzt, richtet sich ganz und gar nach der Anfallsartung. Neigt dein Hund zum Beispiel zu Serienanfällen, macht es wenig Sinn, ihn direkt nach dem ersten Anfall einen Napf mit Tagesration vorzusetzen. Hier kann es helfen, ein wenig Honig anzubieten. Gebt bitte erst Futter, wenn ihr sicher seid, daß kein (direkter) weiterer Anfall folgt. Vertraut dabei eurem Hund und eurem Bauchgefühl, die zwei sind da ein gutes Team.

Flexibilität

Barfer neigen ja bekanntlich dazu, auf Vorrat portionsweise einzufrieren, dies spart Zeit und meist auch Geld. Wenn ihr einen Hund mit Epilepsie habt, tut euch selbst den Gefallen und packt die Rfk immer separat auf Eis. Zumindest in den ersten 24h nach einem großen Anfall solltet ihr auf Rfk verzichten. Folgen dem Anfall Verdauungsauffälligkeiten wie Durchfall oder eine Magenreizung, kann es auch mal passieren, daß ihr mehrere Tage oder sogar schlimmstenfalls Wochen keine Rfk verfüttern könnt. Habt ihr nun aber die Rfk mit in den fertigen Rationen, müßt ihr sie immer erst mmindestens antauen, bevor ihr sie vom Rest trennen könnt. Verwendet ihr gewolfte Knochen wird es noch schwieriger bis unmöglich, sie aus dem Ganzen rauszufischen.

Falls ihr noch zwei Nervlein übrig habt, dann portioniert nicht komplett vor, sondern bleibt möglichst flexibel.
Unterteilt die einzelnen Futterkomponenten Muskelfleisch, Pansen, Innereien und Rfk jeweils separat in Rationen für jeweils ein bis zwei Tage. Natürlich immer an die Bedarfsmengen eures Hundes angepasst. Obst und Gemüse könnt‘ ihr ruhig vorportioniern wie gewohnt, da ihr hierbei evtl. problematische Sorten (s. ätherische Öle) ja schon beim Einkauf berücksichtigt habt.

Ein weiterer Tip ist, zwei Rationen Morosche Möhrensuppe im Gefrierfach können einem den Tag retten.
Denn je nach Anfallsausprägung und Individuum, braucht man beim Epileptikerhund eher mal Magenschonkost zwischendrin und dies meist reichlich spontan. Doch selbst beim gesunden Hund (und für einen selbst) kann so eine Notfrostration Gold wert sein. Warum eher Morosuppe anstatt anderer Magenschonkost? Ganz einfach, auf Grund ihrer besonderen Eigenschaften schützt sie den nach einem Anfall für pathogene Keime anfälligeren Darm.

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Epilepsie kann einem den Alltag mächtig durcheinanderwirbeln. Umso wichtiger ist es, Wege zu finden, es sich einfacher und der Erkrankung etwas schwieriger zu gestalten.

Die oben genannten Punkte vermögen in keinster Weise eine medizinische Betreuung zu ersetzen. Stattdessen aber machen sie es der Erkrankung etwas schwerer, indem Trigger (Anfallsauslöser) vermieden werden, wo immer möglich. Zudem helfen sie dem Körper und seinem Immunsystem, sich besser gegen dieses Schreckgespenst zu behaupten.

Quellen: DCMS Fachartikel: Aminosäuren und andere Nährstoffe bei Erkrankung des Nervensystems, Autor: Dr. med. Hans Günter Kugler, veröffentlicht: PRAXIS-telegramm  Ausgabe 1/2000; Einblicke e.V. Artikel: Der Glycirezeptor und die Epilepsie; Vitalstoff Journal Artikel: Aminosäuren: Mulittalente für die Gesundheit; DocCheck Flexicon Kapitel: Epilepsie; Zentrum der Gesundheit Artikel: Geschmacksverstärker Glutamat; Vitalstoffmedizin Artikel: Asparaginsäure, Autor: René Gräber; Annika Appel